Interview mit Brian Horsfield über Schiefergas und Hydraulic Fracturing

Brian HorsfieldBrian Horsfield

April 2013

Als Großforschungszentrum leistet das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ wichtige Beiträge zu einer nachhaltigen nationalen und globalen Energieversorgung, z.B. zur Nutzung der tiefen Geothermie, zur Nutzung des unterirdischen Raums für verschiedene Speicherzwecke sowie zur Kennzeichnung von Reservoiren mit konventionellen und unkonventionellen Energieträgern. Forschung zu Kohlenwasserstoffen spielt dabei eine bedeutende Rolle, denn es ist klar: Der Übergang zur Energieversorgung aus überwiegend regenerativen Quellen, wie in der Energiewende geplant und angestoßen, wird Dekaden benötigen. Fossile Energierohstoffe werden noch über viele Jahrzehnte im deutschen, europäischen und weltweiten Energiemix wichtig sein, und das nicht nur aufgrund des weltweit weiterhin steigenden Energiebedarfs. Erdgas spielt dabei eine zunehmend zentrale Rolle, weil es bei der Verbrennung der sauberste fossile Energieträger ist. Die Energieforschung am GFZ befasst sich auch mit Erdgas in Tonsteinen, dem sogenannten Schiefergas, und untersucht Fragen, die auch für die Produktionsmethode für Schiefergas, das Fracking (eigentlich: Hydraulic Fracturing), wichtig sind.

SHIP: Was passiert in geologischen Formationen, wenn große Mengen Wasser, Sand und Chemikalien in sie gepresst werden?

Brian Horsfield: Es passiert genau das, was beabsichtig ist: es bildet sich durch den Druck des Wassers auf das Gestein ein Netzwerk von feinen Rissen im Gestein, welches den Zustrom des Gases oder Öls in das Bohrloch verbessert. Damit sich Risse im Gestein bilden können, muss der Druck des Wassers genau dosiert einen kritischen Wert überschreiten, der von den in der Tiefe vorherrschenden Spannungen und der Zugfestigkeit des Gesteins abhängt. Die Ausbreitung der Risse im Gestein kann durch möglichst genaue Voruntersuchungen und Computermodelle im Vorfeld optimiert werden. Die Chemikalien unterstützen den gesamten Prozess, z.B. dienen Reibungsminderer dazu, das Wasser besser in die Tiefe zu pumpen, und Biozide verhindern Bakterienwachstum in den feinen Rissen. Die Sandkörner setzen sich in die erzeugten Risse und verhindern, dass die Risse sich wieder schließen, wenn nach dem Hydraulic Fracturing das Fracturing Fluid wieder aus dem Bohrloch gepumpt wird.
 
SHIP: Wird am GFZ das Verfahren bzw. Methoden dafür untersucht bzw. geprüft?

Brian Horsfield: Am GFZ werden z.B. der Beginn und der Verlauf der Rissbildung in Tongesteinen unter verschiedensten Bedingungen im Labor genau untersucht. Die Ergebnisse dienen dazu, das Hydraulic Fracturing noch gezielter als bisher durchführen zu können.

Um die Rissbildung im Gestein beim Hydraulic Fracturing noch genauer als bisher mitverfolgen zu können, werden am GFZ Konzepte zur verbesserten mikroseismischen Überwachung und die dazu nötigen Werkzeuge entwickelt.

Das industriegeförderte Projekt „Gas Shales in Europe“ (GASH) hat neue Erkenntnisse zum Schiefergaspotenzial in Deutschland und dessen Nachbarländern gewonnen. Unter anderem wurden neue Konzepte für die Bildung von sekundärer Porosität erarbeitet und eine neue Quelle für die Erdgasbildung bei sehr hohen (>200°C) und sehr niedrigen (biogene Bildung) Untergrund-Temperaturen untersucht. Das BMBF-geförderte Verbundvorhaben „GeoEnergieforschung“ (GeoEn) lieferte neue Einblicke in das felsmechanische Verhalten und die Architektur der gesteinsbildenden Minerale im Nanometer-Bereich sowie Erkenntnisse über den Chemismus der entsprechenden Porenfluide. Die neu gewonnenen Daten haben direkten Einfluss auf verbesserte Abschätzungen des Gesamt-Erdgaspotenzials („gas in place“) und der Produzierbarkeit der Kohlenwasserstoffe.

Parallel zu diesen Aktivitäten haben wir die „Shale Gas Information Platform“ (SHIP) konzipiert und umgesetzt. SHIP fußt auf einem internationalen und interdisziplinären Experten-Netzwerk, welches Fakten in die Öffentlichkeit und den politischen Raum bringt. SHIP stellt dabei die Wissenschaft in den Vordergrund und präsentiert beide Seiten der Schiefergas-Debatte.

SHIP: Welche Haltung besteht am GFZ gegenüber dem Hydraulic Fracturing?

Brian Horsfield: Wenn die besten derzeit verfügbaren Technologien und strenge Umweltstandards angewendet werden, erscheint die Produktion von Erdgas aus Tonschiefern mit der Methode des Hydraulic Fracturing grundsätzlich auf umweltgerechte Weise möglich. Allerdings ist es nötig, zu verschiedenen Fragen noch vertiefende Erkenntnisse zu gewinnen. Die offenen Fragen können nicht nur im Labor oder in Computermodellen untersucht werden, sondern müssen auch begleitend zu Erkundungsbohrungen (nicht: Förderbohrungen) untersucht werden. Es ist selbstverständlich, soll hier aber noch einmal ganz deutlich gesagt werden: Die Forschung wird ergebnisoffen durchgeführt und die Ergebnisse werden veröffentlicht.

SHIP: Beim Fracking wird das Gestein unter Chemikalieneinsatz mit hohem Druck aufgebrochen, damit Gas entweichen kann. Gefährdet dies das Grundwasser?

Brian Horsfield: Die Erfahrungen mit der Technologie zeigen, dass bei weltweit mehr als 100.000 Schiefergasbohrungen und mehr als zwei Millionen Hydraulic Fracturing Operationen (nicht nur bei der Schiefergasgewinnung) nur ein dokumentierter Fall von Grundwasserverschmutzung mit Fracturing Fluiden, die aus dem Untergrund in das Grundwasser gelangt sind, bekannt ist. Das ist sehr wenig.

Andere Gefahrenquellen für das Grundwasser sind obertägige unsachgemäße Handhabung von Stoffen, Leckage von Bohrungen oder unsachgemäße Behandlung bzw. Entsorgung von Abwasser. Es ist bekannt, dass über diese Wege schon Grundwasser verschmutzt wurde. Aber diese Risiken haben weniger mit dem Hydraulic Fracturing an sich, d.h., mit der Rissbildung im Gestein während der Schiefergasgewinnung zu tun, sondern gehören generell zur Erdöl- und Erdgasgewinnung.

Die Analyse von Tausenden von Rissen, die beim Hydraulic Fracturing bei der Schiefergasgewinnung entstehen, ergibt, dass 99 % der Risse kürzer als 350 m sind. In Ausnahmefällen können sie eine Länge von bis zu 600 Metern erreichen. Deshalb wird zurzeit angenommen, dass ein Abstand von 1000 Metern zwischen dem Teil der Bohrung mit Hydraulic Fracturing in der Tiefe und Grundwasser führenden Schichten für die Sicherheit des Grundwassers ausreichend ist.

Wie hoch das Risiko der Grundwasserverschmutzung ist, hängt von den jeweiligen geologischen Voraussetzungen ab, die überall anders sind. Das kann und muss durch gründliche regionale und lokale Voruntersuchungen geklärt werden.

SHIP: Besteht die Gefahr, dass Erdbeben ausgelöst werden?

Brian Horsfield: Das Risiko, durch Hydraulic Fracturing größere, d.h. von Menschen wahrnehmbare Erdbeben auszulösen, wird in den wissenschaftlichen Studien als gering eingestuft. Gründliche geologische Voruntersuchungen, geeignetes Management des Einpressdrucks und genaue seismische Überwachung beim Hydraulic Fracturing können das Risiko weiter herabsetzen. Die Wiederzufuhr von Frackfluiden in Gesteinsformationen scheint ein Auslöser für wahrnehmbare Erdbeben zu sein, nicht das Fracking an sich. Die Pumprate muss selbstverständlich überwacht werden, wenn Fluide auf diesem Wege verbracht werden.

SHIP: Fracking wird auch kritisiert, weil es eine schlechte Klimabilanz hat, es wird vergleichsweise viel Energie für die Förderung aufgewendet. Ist das tatsächlich ein Manko des Verfahrens?

Brian Horsfield: Wir haben dazu am GFZ keine eigenen Forschungen betrieben, aber inzwischen zeigen sehr viele wissenschaftliche Studien, dass die Treibhausgas-Emissionen bei der Produktion von Schiefergas nur geringfügig höher als bei der Produktion von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten sind. Der Knackpunkt liegt woanders: die zunehmende Nutzung von Erdgas insgesamt, aus konventionellen und unkonventionellen Lagerstätten. 

Die Internationale Energie Agentur IEA stellte im Herbst letzten Jahres dazu fest, dass die stärkere Nutzung von Erdgas allein nicht ausreicht, um die international vereinbarten Emissionsreduktionziele zu erreichen. Dazu wäre ein viel grundlegenderes Umsteuern in der globalen Energienutzung nötig. Dazu gehören vor allem große Anstrengungen zur verbesserten Energieeffizienz, Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie die breite Anwendung neuer Technologien zur Verminderung von Kohlenstoff-Emissionen, möglicherweise inklusive "carbon capture and storage“ (CCS). Solange allerdings noch fossile Energieträger benötigt werden, ist Erdgas die erste Wahl auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung.

SHIP: Die USA setzen nun auf Fracking, um sich energiepolitisch autark zu machen. Gibt es für das Verfahren auch in anderen Regionen der Welt große Potenziale?

Brian Horsfield: Überall dort wo bisher große Mengen an Schiefergas vermutet werden, gibt es Potenzial auf große heimische Produktion und sinkende Importabhängigkeit. Ob sich das allerdings bewahrheitet, hängt nicht zuletzt von der Bestätigung der großen Vorkommen ab, aber auch von sehr vielen anderen Faktoren, die mit Ökonomie und Politik verwoben sind.

SHIP: Gibt es weltweit keine ausreichenden Gasvorkommen, die auf herkömmliche Weise erschlossen werden können?

Brian Horsfield: Es gibt sehr große konventionelle Erdgasvorkommen auf der Erde. Allerdings liegen ca. 40% dieser Vorkommen entweder in Westsibirien oder im Persischen Golf und damit in Regionen, die geopolitisch relativ instabil sind. Das gleiche trifft auf einen Teil der nordafrikanischen Vorkommen vor, siehe der Terroranschlag in Algerien auf eine Gasfördereinrichtung im Januar. Damit wird deutlich, dass die Suche nach weiteren (heimischen) Erdgasvorkommen durchaus ihre Berechtigung haben kann. Und derzeitige Prognosen der IEA gehen davon aus, dass der Erdgasbedarf weltweit stark ansteigen wird. Sollte sich das bewahrheiten, wird Schiefergas wahrscheinlich eine zunehmend große Rolle dabei spielen.

SHIP: Vielen Dank für das Gespräch!

 


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