SHIP - Hydrogeologie

18.12.2013

Grundwasserschutz

Autor: Prof. Dr. Michael Kühn

Grundwasser – Rohstoff und Ressource

Grundwasser ist ein wichtiger Bestandteil des Wasserkreislaufs, der durch eine Vielzahl von Prozessen gesteuert und beeinflusst wird. Die unterirdischen Zirkulationssysteme des Grundwassers besitzen eine schwer zu erfassende Komplexität, da sie nicht direkt zugänglich sind. Die Erfassung und Beschreibung von Grundwassersystemen sowie deren Nachbildung in Modellen stellt daher eine besondere Herausforderung für die wissenschaftliche Forschung dar. Dieses beinhaltet die wissenschaftliche Charakterisierung von Faktoren und Prozessen, welche die Qualität und Quantität des Grundwassers beeinflussen, sowie deren Entwicklung in Raum und Zeit.

Grundwasser ist der am weitesten verbreitete und genutzte Rohstoff der Welt und vielerorts für den Menschen der einzige Zugang zu Wasser. Die für die Menschheit wichtigste Nutzung der Ressource Grundwasser liegt in der Trink- und Brauchwasserversorgung. Aktuell stellen sich im Rahmen der Nutzung von Georessourcen in tiefen Grundwassersystemen (z.B. CO2-Speicherung, Geothermie, unkonventionelle Gaslagerstätten oder stoffliche Energiespeicherung) und dem daraus resultierenden Einfluss auf das Schutzgut Trinkwasser in den flachen Grundwassersystemen immer neue Herausforderungen für die Forschung. Im Fokus stehen daher Arbeiten zum Verständnis der dynamischen Wechselwirkungen zwischen flachen und tiefen Grundwassersystemen und ihre quantitative Beschreibung durch computergestützte Prozesssimulationen. 

Beim Begriff Grundwasser wird generell nicht zwischen Süß-und Salzwasser unterschieden. Letzteres ist von weniger oder keinem Nutzen, weil es nicht zur Trink- oder Brauchwassergewinnung geeignet ist. Unter Grundwasser versteht man alles Wasser, das unterhalb der Erdoberfläche vorliegt, unabhängig von seiner Qualität. Die Zusammensetzung des Grundwassers, insbesondere dessen Salzgehalt, variiert von einem Ort zum anderen und auch wesentlich mit der Tiefe.

Erhebungen der UNESCO sagen voraus, dass bereits im Jahr 2050 die Hälfte des Trinkwassers auf der Erde aufgrund von Versalzung oder dem Eintrag anthropogener Schadstoffe nicht mehr nutzbar sein wird. Dies verdeutlicht, wie wichtig der vorbeugende (präventive) und wiederherstellende (sanierende) Grundwasserschutz ist. Dem nachhaltigen und verantwortungsbewussten Management der Ressource Grundwasser muss hohe Priorität eingeräumt werden, nicht zuletzt um Wasserkrisen und Wasserkonflikte zu vermeiden. Hierbei hat gerade auch die Nutzung von Georessourcen in tiefen Grundwassersystemen eine große Bedeutung, weil diese immer auch einen Einfluss auf die flachen Grundwassersysteme zur Folge hat oder haben kann. Die hydraulische Verbindung der beiden Grundwasserbereiche (flach und tief) sowie vorhandene Migrationspfade (Störungszonen und Fehlstellen) werden aber bislang nur unzureichend bzw. gar nicht beachtet oder erforscht.

In den EU-Mitgliedstaaten trat im Dezember 2000 die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zur Schaffung eines einheitlichen Ordnungsrahmens für Maßnahmen im Bereich der Wasserpolitik in Kraft. Die zentrale Zielstellung der WRRL liegt darin, dass bis zum Jahr 2015 ein qualitativ und quantitativ guter Zustand der Gewässer erreicht und für die Zukunft gehalten wird. Ein Kriterium zur Kennzeichnung des qualitativ guten Zustandes des Grundwassers nach WRRL ist der Ausschluss von Schadstoffen (z.B. auch in Form von Salzwasserintrusionen).

In Deutschland erfolgt die Trink- und Brauchwassergewinnung zu rund 70 % aus Grundwasser. Quantitative Engpässe durch übermäßige Entnahme sind in Deutschland nur lokal von Bedeutung. Dagegen wird dessen Qualität durch die Grundwassergewinnung lokal und regional – letzteres insbesondere in Norddeutschland - negativ beeinflusst. Die Nutzung der Grundwässer in Norddeutschland wird durch geogene sowie anthropogene Verunreinigungen erschwert, teilweise sogar unmöglich gemacht. Eine Einschränkung bzw. latente Gefahr für die Wasserversorgung stellt u.a. die Grundwasserversalzung dar.

Ein neues Forschungsgebiet ist die Evaluierung des Einflusses der Nutzung von Georessourcen im tiefen Grundwassersystem (z.B. die CO2-Speicherung in salinen Aquiferen oder die Gewinnung unkonventioneller Kohlenwasserstoffe aus Tonsteinen) im Hinblick auf die Gefährdung der Süßwasserressourcen in den flachen Bereichen. Dies wird in der Zukunft von entscheidender Bedeutung für ein nachhaltiges Grundwassermanagement sein.

Wechselwirkung zwischen tiefen und flachen Grundwasserleitersystemen durch „Fracking“

Ein Risiko, das für jeden potenziellen Standort an dem die Fracking-Technologie eingesetzt werden soll, gesondert bewertet werden muss, ist die Möglichkeit, dass durch den Fracking-Vorgang hydraulische Verbindungen zwischen den tiefen Grundwasserleitersystemen im Reservoirbereich und den flachen Grundwasserleitern, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden, erzeugt oder reaktiviert werden. Es muss nach Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass Fracking- oder Reservoirfluide in oberflächennahe Grundwasserleiter migrieren. 

Jede Risikobewertung ist lokationsspezifisch. Das bedeutet, um Aussagen über eine mögliche Gefährdung für oberflächennahe Grundwassersysteme zu machen, bedarf es der genauen Untersuchung eines jeden ausgewählten Standortes. Wesentlich ist dabei, dass in dem Rahmen die Barrierefunktion des Deckgebirges untersucht wird.

Im Norddeutschen Becken, einem der potenziellen Zielgebiete für die Gewinnung von Schiefergas, gibt es eine generelle, hydrogeologische Stockwerksgliederung im Untergrund. Im oberflächennahen Grundwasserstockwerk liegen die nutzbaren Süßwässer vor. In Abhängigkeit der Geologie folgen darunter die salzwasserführende Grundwasserstockwerke mit einer vertikalen Distanz im Bereich von einigen 10 Metern bis einigen 100 Metern. Die Trennung erfolgt durch zumeist sehr schlecht durchlässige, regional weit verbreitete Tonsteinschichten. Diese unterbinden grundsätzlich die Migration von Süßwasser aus den oberen Stockwerken in die unteren sowie der Salzwässer in umgekehrter Richtung. Im Hinblick auf die Gewinnung von unkonventionellem Erdgas mit der Fracking-Technologie, bilden diese Schichten, eine zusätzliche Barrieren gegen die vertikale Migration von Fracking-Fluiden, neben dem weiterhin notwendigen und zu fordernden Multibarrierensystem an Deckschichten direkt oberhalb eines jeden potenziell genutzten Reservoirs.

Für eine Risikobewertung werden computergestützte Prozesssimulationen eingesetzt, in die ein möglichst genaues Abbild der geologischen Bedingungen des Untergrundes eingeht und mit denen ein großes Spektrum an Produktionsszenarien getestet wird. Mit dieser Methode werden Fluidströmungen und Stofftransportprozesse im Zusammenhang mit Frack-Maßnahmen quantifiziert. Simulationen werden grundsätzlich mit einem sogenannten „konservativen Ansatz“ durchgeführt, der lokationsspezifisch die kumulative Wirkung individueller ungünstiger Faktoren berücksichtigt, um das potenzielle Risiko zu bestimmen.

Eine der Fragen, die es dabei zu berücksichtigen gilt, ist die der Rissausbreitung, die unter ungünstigen Bedingungen hydraulische Wegsamkeiten zwischen flachen und tiefen Grundwasserleitersystemen herstellen oder reaktivieren können. Grundsätzlich ist die Absicht beim Fracking, eine Rissausbreitung über die Zielformation hinaus, zu vermeiden. Maximale Rissweiten lassen sich theoretisch abschätzen und sind aus praktischer Erfahrung des Reservoirengineerings bekannt. Demnach ist eine Rissausbreitung in trinkwasserführende Grundwasserleiter bei ausreichend tief liegenden Zielhorizonten nicht zu erwarten.

Konservative Szenarien der Simulation gekoppelter Prozesse im Untergrund (unter Berücksichtigung von Mechanik, Strömung, Transport und chemische Reaktionen) überschätzen in den Simulationsergebnissen mögliche Transportentfernungen durch die Wahl der Parameter und Randbedingungen. So lassen sich für die konkrete Situation im Feld die Risiken minimieren. Physikalisch ausschließen lässt sich die Migration von Reservoir- oder Frackfluiden aus dem Reservoir in angrenzende Grundwasserkomplexe aber nicht. 

Ich bin aber der Ansicht, dass bei Vorliegen von grundsätzlich intakten geologischen Barrieregesteinen oberhalb eines ausreichend tief zu wählendem Zielreservoir für die Gasgewinnung sowie einer fachgerechter Ausführung der Frackingmaßnahmen mit allen verfügbaren Sicherheitsvorkehrungen, die Grundwasserqualität in den für das Trinkwasser genutzten Schichten nicht beeinträchtigt wird. Voraussetzung für jeden potenziellen Standort ist, dass zunächst umfangreiche Untersuchungen durchgeführt werden, um die lokalen geologischen und hydrogeologischen Bedingungen hinsichtlich potenzieller Wegsamkeiten für Frack-Fluide zu untersuchen. Erst basierend auf einer umfangreichen Standorterkundung, zu der auch immer eine oder mehrere Erkundungsbohrungen gehören, lässt sich eine belastbare Risikobewertung durchführen.



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