Chemikalien beim ‘Fracking’ zur Gewinnung unkonventioneller Erdgasressourcen


Autoren: Martin Elsner1, Carsten Vogt2, Anett Georgi2, Frank-Dieter Kopinke2, Wolfgang Calmano3, Kathrin Schreglmann1, Axel Bergmann4, Bernhard Mayer5, Franziska D.H.Wilke6.

Publiziert:  28. April 2014


Der Fachausschuss „Chemikalien in Hydrofracking zur Erdgasgewinnung“ ist ein Expertenkreis der Wasserchemischen Gesellschaft (Fachgruppe der GDCh, Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.). Unser Ziel ist es, ein unabhängiges Expertengremium zu bilden, das aktuelle Forschungsfragen bezüglich der Umwelt- und Wasserchemie von "Fracking" Chemikalien bearbeitet. Unsere Beiträge sollen helfen, Prozesse besser zu verstehen, Risiken zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln.

Wenige Technologien haben in den USA so schnell Einzug gehalten wie das Hydraulic Fracturing (“Fracking”) zur Förderung unkonventioneller Erdgasvorkommen. Innerhalb weniger Jahre hat das Schiefergas die USA unabhängig von Importen gemacht, Erdgaspreise gesenkt und der chemischen Industrie günstige Rohstoffe zugeführt. Gleichzeitig führt aber die Sorge vor möglichen Umweltbelastungen zu kontroversen öffentlichen Diskussionen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Chemikalien, die beim Frackingprozess eine Rolle spielen. Dieser Kurzbeitrag hat zum Ziel, aktuelle Wissenslücken aus Sicht der Wasserchemie aufzuzeigen.

Zur Chemie von Fracking Operationen

Um eine Bohrung zu stabilisieren, die Bohrmeißel zu kühlen und Bohrklein abzutransportieren, werden bentonit– (ein Tonmineral) oder polymerbasierte Bohrspülungen verwendet. Neu gebohrte Abschnitte werden zur Stabilisierung und zum Schutz von flachen Grundwasservorkommen sofort verrohrt und die Verrohrung einzementiert. In der Tiefe der Gasvorkommen wird die Verrohrung selektiv durchlöchert und der Zement ggf. mit Säure (z.B. HCl) aufgelöst, um in Kontakt mit dem Schiefergestein zu kommen. Beim eigentlichen Hydraulic Fracturing wird anschließend eine Fracking Flüssigkeit mit hohem Druck eingepresst, um feine Spalte und Risse zu erzeugen, so dass das eingeschlossene Gas entweichen und gefördert werden kann. Um diese offen zu halten, werden Stützmittel wie Sand, Keramik, etc. verwendet. Reibungsminderer (z.B. wasserbasierte Polyamidgele oder Guarkautschuk-Lösungen) und oberflächenaktive Stoffe (z.B. Organosulfate) machen die Flüssigkeit ‘schlüpfriger’ und sorgen für eine bessere Benetzung. Polymer vernetzende Substanzen (Crosslinker, z.B. Ethanolamine in Mischung mit Boraten und Übergangsmetallkomplexen) erhöhen die Viskosität, um Stützmittel zu transportieren. “Breaker” (Oxidantien, Säuren/Basen, Enzyme u.ä.) “brechen” die Viskosität anschließend wieder auf, damit das Gas aus der Formation entweichen kann. Korrosionsinhibitoren (Chinoliniumsalze, Sulfite), Tonstabilisatoren (quaternäre Ammoniumsalze), Eisenkomplexierer (z.B. Citrat) und Biozide begleiten die Gasförderung und verhindern ein Blockieren der Förderrohre. Zwischen 7 und 18 Millionen Liter Wasser sind nötig, um eine einzelne Frackingoperation durchzuführen. Ein bedeutender Teil davon kommt als Flowback an die Erdoberfläche zurück, gemischt mit einem steigenden Anteil an Formationswasser aus dem tiefen Untergrund.

Wissenslücken bezüglich Fracking-Chemikalien und der Biogeochemie des Untergrunds

Zahlreiche Fracking-Chemikalien, die in den USA Verwendung finden, sind in Kongressberichten [1] und Onlinedatenbanken (z.B. FracFocus, NGS Facts) offengelegt. Alphabetische Listen führen starke Säuren und Basen auf, Oxidantien und Reduktionsmittel, Benzininhaltsstoffe und Alkohole, Fettsäuren und deren Ester. Organosulfate und –phosphate tauchen genauso auf wie Amine and quaternäre Ammoniumsalze. Die große Anzahl möglicher Substanzen macht zur Zeit einen systematischen Überblick schwierig. Dies wird dadurch verstärkt, dass viele Substanzencocktails Firmengeheimnis sind und Einzelsubstanzen, die weniger als 0,1% des Gesamtvolumens ausmachen, nicht deklariert werden müssen. Ein prominenter Teil der Fracking-Chemikalien ist daher der Öffentlichkeit noch gar nicht bekannt. Ein Kosten-Nutzen Dialog, wie er für andere Substanzen (z.B. Pestizide) bereits geführt wird (“Warum wird diese Substanz verwendet und nicht eine umweltfreundlichere Alternative?”) und der zu mehr Akzeptanz führen würde, beginnt erst langsam in öffentlichen Diskussionen eine Rolle zu spielen. [siehe auch SHIP News]

Weiterhin ist es vor der ersten Bohrung auch schwierig, die Biogeochemie des tiefen Untergrunds zu bewerten. Schwarzer Schiefer ist bekannt dafür, dass er viel organisches Material, Schwermetalle und radioaktive Nuklide enthalten kann. Wissenlücken bestehen bezüglich der Mobilität organischer Verbindungen, von Schwermetallen und radioaktiven Elementen während der hydraulischen Stimulierung. Genauso ist die Mikrobiologie des tiefen Untergrunds noch weitgehend unbekannt. Mikroorganismen können entweder unbeabsichtigt mit der Frackingflüssigkeit zugeführt werden oder aus dem Untergrund selbst stammen. Hitze-resistente Mikroorganismen können in Poren leben und möglicherweise durch den hydraulischen Gesteinsaufbruch freigesetzt werden. Nicht alle von ihnen werden notwendigerweise durch Biozide in der Frackingflüssigkeit abgetötet.

Wissenslücken bezüglich der Prozesse im Untergrund

Bei höherer Temperatur, hohem Druck und hohen Salzkonzentration können Fracking-Chemikalien chemische Reaktionen eingehen, die sich von denen, die wir vom flachen Grundwasser kennen, signifikant unterscheiden. Dazu kommen wechselnde Redoxbedingungen während des Frackingprozesses (durch Zugabe von Oxidantien und Reduktionsmitteln), so dass auch geogene Substanzen möglicherweise zu neuen Produkten umgewandelt werden. Beides kann dazu führen, dass potentiell neue organische Transformationsprodukte im Untergrund gebildet werden. Für die Sorption, Fällung und Freisetzung von anorganischen Substanzen wie Schwermetallen ist wiederum deren Speziierung entscheidend. Um dieses Verhalten unter Bedingungen, wie sie während des Frackingprozesses herrschen, zu modellieren, sind die Randbedingungen noch wenig bekannt und zudem standortabhängig. Es ist daher noch nicht möglich, die Freisetzung von problematischen Substanzen sicher zu prognostizieren, oder durch Optimierung des Frackingprozesses gar zu verhindern. Ähnlich schwierig ist es, mikrobielle Aktivität vorauszusagen. Auf der einen Seite kann z.B. mikrobielle Sulfidproduktion zu Korrosion führen, auf der anderen Seite können Mikroorganismen auch Fracking-Chemikalien abbauen und damit eine natürliche Reinigungsfunktion wahrnehmen.

Forschungsbedarf

Kenntnisse über die eingesetzten Chemikalien, eine Charakterisierung der Bedingungen im Untergrund und Erforschung der Prozesse, die dort ablaufen, sind wichtig (a) zur Gefährdungsbeurteilung (welche Stoffe würden im schlimmsten Fall freigesetzt?), (b) zur Optimierung des Frackingprozesses (wie können wir ihre Freisetzung vermeiden?), (c) für effektive Monitoringkonzepte (nach welchen Substanzen sollten wir Ausschau halten?) und (d) zur sicheren und kosteneffizienten Abwasserbehandlung (welche Substanzen gilt es zu eliminieren?). Potentiell kann die Wasserchemie hier wichtige Beiträge leisten. Damit diese Fragestellungen untersucht werden können, bedarf es jedoch der Bereitschaft der Industrie, Informationen über Fracking-Chemikalien zu teilen und unabhängigen wissenschaftlichen Zugang zu laufenden Frackingoperationen zu gewähren [2]. Zukünftige Forschung in diesem Bereich ist damit nicht nur eine wissenschaftliche Herausforderung, sondern hängt entscheidend von den Voraussetzungen ab, unter denen diese Beiträge überhaupt geleistet werden können.

Literatur

  1. Waxman, H.A., E.J. Markey, and D. DeGette, Chemicals used in hydraulic fracturing. 2011, United States House of Representatives, Committee on Energy and Commerce
  2. Jackson, R.E., et al., Groundwater Protection and Unconventional Gas Extraction: The Critical Need for Field-Based Hydrogeological Research. Groundwater, 2013. 51(4): p. 488-510.

Contact

1Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Grundwasserökologie; Deutschland

2Helmholtz Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Department Isotopenbiogeochemie; Deutschland

3Technische Universität Hamburg-Harburg, Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft; Deutschland

4IWW Zentrum Wasser, Deutschland

5University of Calgary, Department of Geoscience; Canada

6Helmholtz Zentrum Potsdam, GFZ Deutsches GeoForschungsZentrum; Deutschland


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