Induzierte Seismizität im Zusammenhang mit dem Verpressen von Abwässern soll inzwischen etwa 20% der Gesamtseismizität der USA ausmachen.


Autor: Horst Rüter

Publiziert:  1. August 2014


Keranen et al. (2014) haben einen auch in der Presse viel beachteten Artikel geschrieben in dem sie den schon seit längerem publizierten starken Anstieg der Seismizität in Oklahoma und damit auch in Zentral- und Ost USA seismologisch genauer untersuchen. Schon im Titel [Sharp increase in central Oklahoma seismicity since 2008 induced by massive wastewater injection] wird ein Zusammenhang dieses Anstiegs mit dem Verpressen von Abwässern in Verbindung gebracht. Im Text werden die Disposalbohrungen als ‚potentially responsible‘ bezeichnet. Hiermit wird dann gleichzeitig ausgedrückt, dass kein direkter Zusammenhang zum Fracking, also zum Aufschluss der Öl- oder Gaslagerstätten besteht und auch kein Zusammenhang zur Förderung also  zur Extraktion von Gas oder Öl. Es wird im ganzen Artikel der Begriff ‚Wastewater‘ verwendet, ohne dass hier angegeben ist, ob es sich vollständig oder teilweise um Abwässer der Öl-/Gasindustrie handelt, es kann jedoch wohl unterstellt werden, dass dies der Fall ist.

Die Autoren bedauern, dass Druckdaten (der Injektionsdrucke) kaum zu erhalten sind (rarely accessible), obwohl nur diese einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Injektionen und Seismizität begründen könnten. Ersatzweise wählen die Autoren Modellrechnungen möglicher Druckausbreitungen.

Die beobachteten Bebenschwärme werden sehr sorgfältig aufgearbeitet und ihre statistischen Daten dargestellt. Ein erstaunliches Ergebnis ist, dass die vielen Tausend Disposalbohren in Oklahoma fast alle aseismisch sind, also zumindest keine fühlbaren Ereignisse produzieren. Lediglich die vier Bohrungen mit den höchsten Injektionsraten werden dafür verantwortlich gemacht 20% der gesamten US Seismizität in den Jahren 2008 bis 2014 verursacht zu haben und etwa 45% der Seismizität (> M3) in den östlichen Staaten. Auch von dem größten dieser Beben (M 5,7) im Jahr 2011 in der Nähe von Prague, Oklahoma wird gesagt, dass es ‚wahrscheinlich‘ im Zusammenhang mit diesen Injektionen steht. Insgesamt bedeutet dies eine 40-fache Erhöhung der jährlichen Seismizität verglichen mit den Jahren 1976-2007.

Der Artikel konzentriert sich auf die Bebenschwärme in der Nähe der Ortschaft Jones, die daher auch als ‚Jones Schwärme‘ bezeichnet werden. Für diese werden hydaulische Modellrechnungen vorgestellt wobei in die vier maßgeblichen Bohrungen 4 Millionen Barrel/ Monat (250 l/sec) injiziert wurden. Die detaillierte Lokalisierung der Bebenherde zeigt, dass diese zwar in der Nachbarschaft (bis zu 35 km Entfernung) der Injektionsbohrungen sind aber darüber hinaus gebunden an bekannte Störungssysteme wie die Witzetta Fault oder die Namaha Fault. Ursächlich dafür, dass gerade hier diese extreme Seismizität auftrat ist das Zusammenkommen der hohen Injektionsraten mit dem Vorhandensein aktiver Störunsgsysteme. Rein empirisch (also ohne einen felsmechanischen Zusammenhang zu erörtern) wird das Auftreten von Ereignissen der modellierten Druckausbreitung gegenüber gestellt. Hier zeigt sich dass schon Druckerhöhungen von 0,07 MPa (0,7 Bar) ein Ereignis triggern können. Zumindest sind hier Ereignissen in Bereichen lokalisiert worden in denen die Druckmodellierung (Daten standen nicht zur Verfügung) diesen Wert überschritten hatten. Dieser Wert stimmt gut mit sonst in der Literatur genannten Werten überein.

Zusammenfassung und Folgerungen:

  1. Der Artikel stellt keinen Zusammenhang zwischen Beben und Bohren, Fracken oder der Gewinnung von unkonventionellem Gas her. Bei den Hunderttausenden von derartigen Aktivitäten ist also weiterhin davon auszugehen, dass sie als Verursacher von induzierter Seismizität kaum eine Bedeutung haben.
  2. Ein Zusammenhang des extremen Anstiegs der Seismizität in Oklahoma mit dem Verpressen von Abwässern (Disposalbohrungen) wird als wahrscheinlich angesehen.
  3. Tausende von Disposalbohrungen verursachen keine spürbaren Ereignisse. Die beobachtete extreme Erhöhung der Seismizität geht auf lediglich 4 Disposalbohrungen zurück.
  4. Diese 4 Disposalbohrungen haben nicht nur extrem hohe Injektionsraten, sondern liegen auch in der unmittelbaren Nachbarschaft bekannter größerer rezent aktiver Störungssysteme.
  5. Das Verpressen von Abwasser ist also generell möglich ohne Seismizität zu generieren (viele tausend Beispiele auch in Oklahoma).
  6. Disposal Lokationen sind sorgfältig zu explorieren mit besonderer Beachtung der Kartierung von Störungszonen und Informationen über das Spannungsfeld.
  7. Vor dem betrieblichen Verpressen sind Injektionsteste durchzuführen. Nur Standorte mit einer hohen Injektivität sind geeignet. Zeigen diese Tests ungünstige Ergebnisse sind die Bohrungen aufzugeben.
  8. Disposalstandorte sind seismologisch zu überwachen.
  9. Die Injektion ist einzustellen (Reaktionsschema) wenn sich erhöhte Seismizität abzeichnet. Der Standort ist dann ungeeignet. Die Bohrung ist aufzugeben.
  10. Es ist unverständlich, warum die 4 Injektionsbohrungen in Oklahoma trotz der beobachteten extremen Seismiziät so langjährig genutzt wurden (oder noch werden?).

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Induzierte Seismizität

Induzierte Seismizität im Zusammenhang mit dem Verpressen von Abwässern soll inzwischen etwa 20% der Gesamtseismizität der USA ausmachen.