Die öffentliche Debatte in Frankreich

Helen EtchanchuHelen Etchanchu

Die öffentliche Debatte in Frankreich ist stark umstritten und mediatisiert. Frankreich ist eines der wenigen Länder, in denen Fracking offiziell verboten ist. Bereits sehr früh während der Debatte verhängte Frankreich ein Gesetz, das sogenannte Jacob-Gesetz, gegen Fracking. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Gewinnung von Rohstoffen in der Kultur Frankreichs nicht besonders stark verankert ist. Rund 75% der Elektrizität in Frankreich stammt aus Kernenergie. Der folgende Text  beschreibt die öffentliche Debatte in Frankreich anhand von Medienartikeln, politischen Entwicklungen und Regierungsberichten. Die wichtigsten Entwicklungen werden in drei Zeiträumen zwischen 2011 und 2014 dargestellt.

Soziale Bewegungen und das Verbot von Fracking durch das Jacob-Gesetz im Jahr 2011

Die Schiefergasdebatte in Frankreich war sehr früh stark politisiert, was auf starke Bewegungen in der Zivilbevölkerung zurückzuführen ist. Die erste öffentliche Informationveranstaltung zum Thema Schiefergas wurde am 20. Dezember 2010 von José Bové in Saint-Jean-du-Bruel in der Region Larzac organisiert. José Bové, Europaabgeordneter für die Partei EELV, die französischen Grünen, und bekannter französischer Politiker und Aktivist, spielte eine wesentliche Rolle in der Debatte. Er setzte seine Medienbekanntheit gezielt ein und half Bürgern bei der Organisation von Veranstaltungen und  der Gründung von Bürgerinitiativen, die gegen die Gewinnung von Schiefergas protestierten. Schnell entstanden Bürgerinitiativen in verschiedenen Regionen; zunächst in Larzac, dann bis nach Ardèche, beides Regionen, in denen 2010 Genehmigungen für die Schiefergaserschließung  ausgestellt worden waren. Drei Genehmigungen für die Schiefergasforschungsprojekte waren im Süden (Montélimar, Villeneuve de Berg und Nant) erteilt worden für 1) Schuepbach Energy, zu dem Zeitpunkt zugehörig zu GDF-Suez, 2) Total E&P France und 3) Devon Energie Montélimar SAS. Diese Genehmigungen wurden von Jean-Louis Borloo, zu dieser Zeit Umweltminister, erteilt. Kommunalpolitiker begannen, sich der Mobilisierung gegen Schiefergas anzuschließen, wobei einige von ihnen sich beschwerten, nicht informiert worden zu sein und nur durch die Medien von der Erteilung der Genehmigungen  erfahren zu haben. Das ist möglich, weil die Rechte für Bodenschätze in Frankreich dem Staat gehören (im Gegensatz dazu haben zum Beispiel in den USA die Grundbesitzer diese Rechte) und vom staatlichen Umweltministerium verwaltet werden. Die Einflusskraft der Bewegung stieg auch aufgrund der im März 2011 bevorstehenden Regionalwahlen. Am 11. Januar startete José Bové eine Petition an die Regierung, mit dem Ziel, Fracking zu verbieten. Die Petition trug den Namen „Gaz de schiste non merci”, eine Anspielung an den gleichnamigen Slogan, den die  Bürgerbewegungen für den Kampf gegen GMOs im Land verwendet hatten. Drei Monate später hatten die Petition 100,000 Menschen unterschrieben. Die wichtigsten in der Petition aufgeführten Punkte sind folgende:

  • die Regierung hatte Genehmigungen vergeben, ohne zuvor die lokalen Stakeholder [Beteiligten] zu informieren;
  • in den USA sind durch Fracking verursachte Umweltschäden zu beobachten;
  • die Gewinnung von Schiefergas steht im Gegensatz zu den Bemühungen Frankreichs, seine Kohlendioxidemissionen zu verringern;
  • die Unterzeichner der Petition fordern also die Regierung auf, mit sofortiger Wirksamkeit ein Moratorium für die Gewinnung von Schieferöl und Schiefergas zu verhängen und bestehende Genehmigungen außer Kraft zu setzen.

Am 11. Februar 2011 setzte die damalige Umweltministerin, Nathalie Kosciusko-Morizet, dann tatsächlich alle Genehmigungen und Sondierungsprojekte im Zusammenhang mit Schiefergas in Frankreich außer Kraft. Später verlängerte der Ministerpräsident das Moratorium noch um einige Monate. Dies beschwichtigte allerdings keineswegs die Bürger, die am 26. Februar eine erste Demonstration gegen Schiefergas in Villeneuve de Berg organisierten, an der 10-20.000 Menschen teilnahmen. Der größte Kritikpunkt war weiterhin eine mögliche Verunreinigung des Trinkwassers sowie negative Auswirkungen auf  Tourismus und Landwirtschaft.

Eine der einflussreichsten Bürgerbewegungen ist noch immer das collectif 07 aus der Region Ardèche. Die Initiative war an der Gründung anderer nationaler und internationaler Anti-Fracking Bewegungen beteiligt. Man könnte argumentieren, dass eine der treibenden Kräfte für den anfänglich großen Zulauf der Bewegungen in der Ausstrahlung des Films „Gasland“ im allgemeinen und der Angst vor einer Verunreinigung des Trinkwassers insbesondere zu begründen ist. Das bekannte Bild eines Anwohners  nahe einer Fracking-Anlage, der einen aus seinem Wasserhahn fließenden Strahl anzündet, verbreitete sich rasant auf internationaler Ebene [siehe SHIP Artikel]. In Frankreich wurden bei beinahe jeder Informationsveranstaltung zum Thema Fracking zumindest Teile des Films gezeigt. Der Film hatte die Gemüter erhitzt und die locker strukturierten aber gut vernetzten Bürgerbewegungen sahen sich schnell in der Lage, auf den in den USA gemachten Erfahrungen basierende Argumente als Hebel anzuwenden. Sie legten (von der Wirtschaft generell bestrittene) US-amerikanische Beispielfälle vor, wo Fracking zu Umweltschäden geführt hatte. Während des temporären Moratoriums im Februar 2011 begann das Umweltministerium gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium eine Studie mit dem Ziel, die Regierung über wirtschaftliche, technische, juristische, soziale und Umwelt-Fragen aufzuklären, die sich durch die potentielle Erschließung von Schiefergas in Frankreich stellen könnten. Diese Studie wurde von den öffentlichen Instituten der jeweiligen Ministerien, dem CGIET (Conseil général de l'industrie, de l'énergie et des technologies) und dem CGEDD (Conseil Général de l'Environnement et du Développement Durable), durchgeführt. Der Bericht wurde der Regierung erstmals am 21. April 2011 vorgelegt.

Die Studie kam zu folgenden Ergebnissen:

  • Das wirtschaftliche Potential bleibt unsicher, solange keine Explorationsbohrungen durchgeführt werden. Schätzungen zufolge besitzt Frankreich jedoch Schieferölreserven von etwa 100 Millionen m³ und Schiefergasreserven von 5000 Milliarden m³, was das Land zu einem der vielversprechendsten Europas für die Gewinnung dieser Ressourcen macht;
  • Es gibt noch viel Potential bei der Verbesserung der Effizienz und des Umweltschutzes beim Fracking;
  • Fracking sollte strikten Kontrollen unterliegen und nur zu wissenschaftlichen Zwecken durchgeführt werden, um sein Potential bewerten zu können;
  • Das Potential dieser Ressourcen nicht zu bestimmen wäre unwirtschaftlich und abträglich für die Schaffung von Arbeitsplätzen;
  • Die Bergbaurichtlinien sollten in einer Reform öffentliche Beratungssitzungen, bevor Genehmigungen erteilt werden, zur Pflicht machen;
  • Die Regulierung von Techniken zur Kohlenwasserstoffgewinnung sollte angepasst werden und könnte Best Practice Empfehlungen mit einschließen (z.B. Reduzierung der verwendeten Zusatzstoffe);
  • Die steuerliche Regelung sollte besser an die Interessen der Gemeinden vor Ort angepasst werden;
  • Nach 2-3 Jahren wissenschaftlicher Forschung kann Frankreich eine rationale Entscheidung treffen, ob die Ressourcen genutzt werden oder nicht.

Gleichzeitig gab der Nationalrat, genauer gesagt der Fachausschuss für Nachhaltigkeit, eine Studie zu Schiefergas und Schieferöl in Auftrag. Durchgeführt wurde die Studie durch die Abgeordneten Francois-Michel Gonnot und Philippe Martin (letzterer sollte 2013 zum Umweltminister gewählt werden). Der Bericht zu dieser Studie wurde am 8. Juni 2011 veröffentlicht. Er soll objektive Informationen zu technischen, wirtschaftlichen, umwelttechnischen und juristischen Aspekten zum Thema Schiefergasgewinnung, sowie Informationen zur internationalen Dynamik  zur Verfügung stellen. Die Abgeordneten unterstreichen, dass sich internationale Konsequenzen der Entscheidungen anderer Länder auch auf Frankreich auswirken werden. Der Bericht sieht drei mögliche Szenarien:

  1. Entscheidung für die Gewinnung von Schiefergas: wenn Wissenschaftler zu dem Schluss kommen, dass die Risiken für die Umwelt in den Griff bekommen werden können, wäre die Gewinnung von Schiefergas eine wirtschaftlich positive Entwicklung;
  2. Entscheidung für die Gewinnung von Schiefergas zu einem späteren Zeitpunkt: Frankreich hätte ein Ass im Ärmel, wenn sich keine alternativen Energiequellen ergeben;
  3. Entscheidung gegen die Gewinnung von Schiefergas: Dies könnte sich positiv auf die Entwicklung erneuerbarer Energien auswirken, müsste jedoch mit strikten Einfuhrbeschränkungen für fossile Brennstoffe einhergehen.

Am 31. März stellte Christian Jacob, Abgeordneter der Partei UMP, einen Gesetzesentwurf vor, und 124 Abgeordnete der Mehrheitsregierung unterzeichneten den Gesetzesentwurf für das Jacob-Gesetz. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits mehr als 90.000 Menschen die Anti-Schiefergas Petition unterzeichnet. Im April 2011 erreichte der Dissens seinen Höhepunkt und die Nationalversammlung stimmte über das Gesetz zum Verbot von Fracking zum 11. Mai 2011 ab. Industrievertreter versuchten ebenfalls auf den Regulierungsprozess einzuwirken. Insbesondere der Verband der Bohrindustrie verfasste mehrere offene Briefe an die Regierung. Diese Initiativen fanden jedoch kaum Medienbeachtung. Einer der wenigen Artikel zu dem Brief vom 11. April 2011 trug den anschaulichen Titel: “Schiefergas: die Bohrindustrie will gehört werden”.

Am 14. Juli 2011 wurde das Jacob-Gesetz schließlich in das Nationalregister eingetragen (eine Zusammenfassung der rechtlichen Schritte finden Sie auf der Webseite des Senats). Das Gesetz konzentriert sich auf das Verbot der unkonventionellen Gewinnung von Schieferöl und Schiefergas durch Fracking. Das Gesetz enthält jedoch auch zwei Bestimmungen, die darauf abzielen, die Forschung auf dem Gebiet voranzutreiben und Informationen zum Thema zu sammeln: 1. Sondierungsprojekte zu wissenschaftlichen Zwecken sind erlaubt,  und 2. es soll eine Kommission aus Mitgliedern verschiedener Parteien ins Leben gerufen werden, die öffentliche Empfehlungen zu der Art und Weise der Forschung zum Thema Schiefergas aussprechen sollte. Die Regierung sollte ein Jahr nach Verkündigung des Gesetzes einen Bericht erhalten. In ihrem Ergänzungsbericht führten CGIET und CGEDD an, dass die Kommission bald gegründet werden sollte. Bis heute existiert jedoch keine solche im Jacob-Gesetz vorgesehene Kommission. Dies ist einer der Punkte, der von der Industrie und den Befürwortern unter den Politikern bemängelt wird.

Die drei zuvor erwähnten Genehmigungen für Villeneuve de Berg, Nant und Montélimar, waren nicht die einzigen, jedoch wurde ihnen die meiste Aufmerksamkeit zuteil. Die Genehmigungen wurden im Oktober 2011 offiziell aufgehoben. Schuepbach Energy stellte die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in Frage und reichte eine Frage der ausreichenden Verfassungsmäßigkeit (“Question prioritaire de constitutionnalité”, (QPC)) ein. Diese ging bis vor das französische Verfassungsgericht (conseil constitutionnel), wo sie schließlich am 13. Oktober 2013 abgelehnt wurde.

Debatten zur Energiewende und Forschung zu alternativen Techniken zu Fracking in den Jahren 2012/13

Nach den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2012 organisierte Frankreichs neuer Präsident, Francois Hollande, eine groß angelegte, nationale Bürger-Deliberation zur französischen Vision der Energiewende. Das Hauptanliegen dieser nationalen Debatte zur Energiewende war es, die Bürger zu beteiligen und über das Projekt zum Energiewendegesetz der Regierung zu informieren. Dieses Energiewendegesetz war einer der wichtigsten Punkte in Hollandes Wahlmanifest, das die Reduktion der aus Atomenergie gewonnenen Elektrizität in Frankreich auf 50% bis 2025 und die intensive Entwicklung erneuerbarer Energien beinhaltet. Im September 2012 rief er eine Umweltkonferenz ins Leben, die den Grundstock für weitere Überlegungen in den folgenden Monaten bildete. 22 Branchenführer nahmen dies am 27. September 2012 zum Anlass, einen gemeinsamen Brief an die Regierung zu verfassen, in dem sie forderten, die Debatte zur Beurteilung des französischen Schiefergaspotentials neu zu eröffnen. Sie forderten eine nationale Schiefergasdebatte, die „alle beteiligten Stakeholder, NGOs, Industrievertreter und Forscher“ mit einbeziehen sollte. Sie hoben hervor, Frankreich habe die „Pflicht, seine Ressourcen zu erschließen“ und erklärten, Schiefergas könne ein Schritt in Richtung einer Verbesserung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit des Landes sein. Auch der am 5. November 2012 veröffentlichte von der neuen Regierung beorderte Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit, der sogenannte „Gallois” Bericht, erwähnt Schiefergas positiv als eine potentielle Chance für wirtschaftliche Entwicklung.

Das OPECST (Office parlementaire d'évaluation des choix scientifiques et technologiques) bekam den Auftrag, eine Studie mit dem Ziel, Alternativen zu Fracking zu finden, durchzuführen. Diese Aufgabe wurde den Abgeordneten Christian Bataille und Senator Jean-Claude Lenoir übertragen. Der OPECST-Bericht bestätigte, dass Fracking die zur Zeit einzige brauchbare Technologie zur Gewinnung nicht-konventioneller Kohlenwasserstoffe sei. Ein vorläufiger Bericht wurde am 5. Juni 2013 veröffentlicht, damit dessen Empfehlungen  noch in die nationale Debatte zur Energiewende, die kurz vor dem Ende stand, miteinfließen konnte. Die endgültige Version wurde von OPECST am 26. November 2013 verabschiedet. Die wichtigsten Empfehlungen sind:

  • Erschließung der Schiefergas und Schieferölressourcen Frankreichs;
  • Durchführung von Forschung zu alternativen Technologien zur weiteren Verbesserung bestehender Lösungen;
  • Nutzung von Schiefergasressourcen zur Finanzierung der Energiewende;
  • Reformierung der Bergbaurichtlinien mit dem Ziel, die Gewinnung von Schiefergas mit den Interessen vor Ort vereinen zu können.

Am 25. Juni widerrief Delphine Batho, zu dem Zeitpunkt Umweltministerin, offiziell eine der Genehmigungen für die Erschließung nicht-konventioneller Ressourcen, die 2010 erstmalig Hexagon Gas erteilt worden war. Am 2. Juli 2013 wurde sie ihres Amtes enthoben. Sie wurde am selben Tag entlassen, an dem sie öffentlich die Budgetkürzungen des Umweltministeriums kritisiert hatte. Später führte sie ihre plötzliche Entlassung auf die Lobbyarbeit von Vallourec, einen französischen MNC und international größten Produzenten von Bohrrohren zurück, dessen Aktivitäten sich dank der Schiefergasproduktion in den USA erhöht hatten. Diese Anschuldigung wurde von den Medien stark aufgebauscht und, wie zu erwarten war, von Vertretern der Industrie heftig kritisiert und von Umweltschützern begrüßt.

Wie bereits erwähnt hatte die Industrie an der öffentlichen Mediendebatte während der anfänglichen Phase der Bürgerbewegungen kaum teilgenommen. Zum Ende der Debatte zur Energiewende im Sommer 2013 jedoch wurden mehr und mehr die Stimmen von Vereinigungen wie Ufip (Union française des industries pétrolières) und MEDEF (Mouvement des entreprises de France) laut. Die MEDEF veröffentlichte ihre Vorschläge zur nationalen Debatte zur Energiewende. Um wettbewerbsfähig bleiben zu können, setzte die MEDEF darin auf die Aufrechterhaltung der Atomenergie und die Erschließung von Schiefergas. Die Ufip brachte ähnliche Argumente zur Sprache.

Zum Ende der Debatte zur Energiewende sind zwei Sitzungen aus dem Bereich Schiefergas besonders vorzuheben. Die erste fand statt am 27. Juni 2013. Sie gab einen Ausblick auf die Energiepreise und thematisierte die Auswirkungen von Schiefergas auf den Weltmarkt; die zweite, am 3. Juli, beschäftigte sich speziell mit Schiefergas. Sechs Experten nahmen teil, die eine rege Diskussion führten und kaum in der Lage waren, eine gemeinsame Grundlage zu finden. Während der Fragerunde wurden Schlüsseldaten und Hypothesen, auf denen die pro- und contra-Argumente basieren, heftig diskutiert.  Die am 18. Juli 2013 veröffentlichten offiziellen Ergebnisse der Debatte zur Energiewende, die Kernenergie missbilligen und eine Erschließung von Schiefergas verwerfen, wurden vom Industrieverband MEDEF nicht akzeptiert.

Auch wenn diese Entwicklung zeigte, dass die befürwortenden Stimmen einer Erschließung der Schiefergasressourcen lauter werden könnten und selbst der Minister für wirtschaftlichen Wiederaufbau, Arnaud Montebourg, sich in den Medien dafür aussprach, bestätigte der französische Präsident Hollande wiederholt, dass es während seiner Präsidentschaft weder zu der Erschließung noch zu der Gewinnung von Schiefergas kommen werde. Obwohl der im November 2013 veröffentlichte endgültige OPECST-Bericht sich für eine Erschließung aussprach, blieb die Regierung weiterhin bei ihrer ablehnenden Haltung. So wurden zum Beispiel weitere sieben ausstehende Genehmigungen zur Gewinnung von Schiefergas offiziell außer Kraft gesetzt.

Die politische Entwicklung im Jahr 2014

Am 24. Januar 2014 veröffentlichte die Europäische Kommission ihre Empfehlung zu bei der Erschließung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen (wie z.B. Schiefergas) in großen Fracking-Projekten einzuhaltenden Mindestanforderungen. Arnaud Montebourg reagierte auf diese Ankündigung mit erneuten positiven Aussagen zum Thema Schiefergas in der Presse. Im März drängte US-Präsident Obama die Europäische Union schließlich zu einer  Verringerung ihrer energiepolitischen Abhängigkeit und das EU-Parlament stimmte für eine Ausnahmeregelung für Schiefergas bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. Diese internationale Entwicklung fand auch Einzug in die französische Debatte. So nahm zum Beispiel die französische Presse 2014 mehr und mehr Bezug auf die Europäische Union, die EU Kommission und das EU Parlament.

Im September 2014 gab der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy schließlich seine  Präsidentschaftskandidatur für seine Partei bekannt (der erste Schritt zur Präsidentschaftswahl in Frankreich). Bei seiner ersten öffentlichen Sitzung nach der Bekanntgabe am 25. September äußerte er sich positiv zum Thema Schiefergas. Er verwies auf das  Beispiel der USA und erklärte, er könne “nicht akzeptieren, dass die USA eine Energieunabhängigkeit erlangt haben und Frankreich zu einer Zeit, zu der unser Land und unsere Familien unter Arbeitslosigkeit leiden, nicht von den neuen Energiequellen profitieren kann. Dies ist inakzeptabel”1. Ein interessantes Argument, besonders wenn man bedenkt, dass das Jacob-Gesetz während seiner Präsidentschaft in Kraft getreten war. Nathalie Kosciusko-Morizet, ehemalige Umweltministerin, die im Amt war, als die Bürgerbewegungen ihren Anfang fanden, distanzierte sich in diesem Punkt von Nicolas Sarkozy. Auch Ségolène Royal, die jetzige Umweltministerin (die 4. seit Hollande ins Amt gewählt wurde) bestätigte als Reaktion auf Sarkozys Aussage noch einmal den ablehnenden Standpunkt der Regierung und machte deutlich, dass es weder eine Erschließung noch eine Gewinnung von Schiefergas geben werde: “Wir werden alle öffentlichen und privaten Mittel für die Entwicklung erneuerbarer Energien einsetzen”2. Royal reichte kurz darauf einen Gesetzesentwurf für die Energiewende ein, über den am 14. Oktober in der Nationalversammlung abgestimmt wurde. Die wichtigsten Punkte dieses Gesetzes, für das €10 Milliarden angesetzt werden, sind:

  • Bis 2050 sollen 100% aller Gebäude in Niedrigenergiegebäude umgewandelt werden. Die Sanierung der Gebäude soll gesetzlich festgeschrieben und obligatorisch sein, dazu soll für  steuerrechtliche und sonstige finanzielle Unterstützung gesorgt werden (besondere Hilfen sollen für Haushalte mit niedrigem Einkommen bereitgestellt werden);
  • Der Anteil atomarer Stromerzeugung soll bis 2025 auf 50% reduziert werden und erneuerbare Energien sollen weiterentwickelt werden. Hierfür soll es einen speziellen Investitionsfonds geben;
  • Die Nutzung von Elektroautos soll durch die Installation von Ladestationen und durch finanzielle Anreize erhöht werden;
  • Die Müllproduktion soll um 50% verringert werden. Dies beinhaltet ein Verbot von Einweg-Plastiktüten und -Geschirr.

Dieses Gesetz macht deutlich, dass die französische Regierung eine Energiewende vorantreiben möchte, die Schiefergas nicht einschließt und die Nutzung von Atomenergie stark reduziert. Auf europäischer Ebene jedoch spielen Fragen wie Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit der Energieversorgung, und Verringerung der Energieabhängigkeit, insbesondere von Gas aus Russland, eine wichtige Rolle. Während Großbritannien und Polen mit der Gewinnung von Schiefergas beginnen und Deutschland noch diskutiert, unter welchen Auflagen und ob überhaupt Fracking dort erlaubt werden soll, bleibt es abzuwarten, ob Frankreich sich der Gewinnung von Schiefergas öffnen oder bei seiner klaren ablehnenden Haltung bleiben wird. Befürworter und Gegner denken bereits jetzt an die nächsten Präsidentschaftswahlen 2017, durch die neue Impulse in die eine oder andere Richtung gesetzt werden könnten.

 

1 Übersetzung. Originalzitat: "Je ne peux pas accepter que les Etats-Unis soient devenus du point de vue de l'énergie indépendants grâce au gaz de schiste et que la France ne puisse pas profiter de cette nouvelle énergie alors que le chômage ravage tant de nos territoires et tant de nos familles, c'est inacceptable."

2 Übersetzung. Originalzitat: "Tous nos moyens publics et privés doivent être sur les économies d'énergie et les énergies renouvelables"


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